Zwischenberichte auf dem Prüfstand

Karin Meierhofer, Geschäftsleiterin, PACH (Pflege- und Adoptivkinder Schweiz) und Gabriele E. Rauser, Geschäftsleiterin Integras

Gabriele E. Rauser, Geschäftsleiterin Integras, und Karin Meierhofer, Geschäftsleiterin PACH, sind Teil der Projektgruppe «Forschung & Entwicklung». Sie haben sich intensiv mit den Zwischenberichten der drei Forschungsprojekten beschäftigt. Im Interview reflektieren sie über erste Erkenntnisse.

Gabriele E. Rauser. Nach der Vertiefung in die Zwischenberichte – lässt sich sagen, die Forschungsprojekte sind auf gutem Weg?

Absolut, alle Zwischenberichte sind in sich spannend und vielversprechend. Doch nun braucht es eine weitere Vertiefung. Uns als Fachverband Integras beschäftigt insbesondere der pädagogische Auftrag und das Wohlergehen des Kindes sowie die alltägliche Umsetzung von Kinderrechten. So stellt sich bei den ausserfamiliären Platzierungen etwa die Frage, wie man die Partizipation der Pflegekinder, eine gute Begleitung von Pflegeverhältnissen und den Einbezug der Eltern stärken kann. Da erhoffen wir uns im Schlussbericht klare Erkenntnisse.

Karin Meierhofer, wo erhoffen Sie sich durch das Forschungsprojekt mehr Klarheit?

Wir erhoffen uns endlich neue Fakten, die in den drei Forschungsbereichen mehr Klarheit für die Praxis bringen: So möchten wir zum Beispiel wissen, in welchen Kantonen beziehungsweise Gemeinden es Pflegekindern gut geht – und insbesondere weshalb es ihnen gut geht. Die Behörden, die Gemeinden haben zwar Abläufe auf dem Papier festgehalten, aber in der Praxis gehen die Wege von Betroffenen manchmal daran vorbei. Ich wünsche mir zudem mehr Transparenz über das Wohlergehen der Kinder, die in Pflegefamilien aufwachsen. Vor diesem Hintergrund ist für PACH – Pflege- und Adoptivkinder Schweiz der Vergleich der kantonalen Strukturen, der sich eine Forschergruppe angenommen hat, besonders spannend.

Sie sprechen von mehr Transparenz. Fehlt diese denn?

Wir stossen zum Beispiel als Verein bei Anfragen und eigenen Studien zu oft auf geschlossene Türen – trotz Öffentlichkeitsprinzip der Behörden. Ich bin darum sehr froh, ist das Thema der ausserfamiliär platzierten Kinder nun in der Forschungswelt angekommen. Wenn wir es mit den drei Forschungsprojekten schaffen, Fakten und klare Aussagen zu erhalten, wenn die Forschenden die Punkte deutlich benennen können, dann bin ich sehr dankbar. Und wenn der Bundesrat, wie wir schon lange fordern, die Schaffung einer nationalen Statistik über ausserfamiliäre Unterbringung von Kindern – inklusive einheitlicher Datenerfassung in den Kantonen – an die Hand nimmt, dann kommen wir schon bald einen Riesenschritt weiter.

Wo erhoffen sie sich klare Aussagen, Gabriele E. Rauser?

Zum Beispiel zum Selbstbild der Pflegeeltern in Bezug auf ihre Rolle, die sie einnehmen, aber auch Fragen rund um die Professionalität und Weiterbildung und die Abgeltung von Pflegeeltern stellen grosse wie auch spannungsgeladene Themen dar. Die Unterschiede in der Schweiz sind eklatant, wie bereits der Zwischenbericht andeutet. Hier braucht es Transparenz und Klärung. Aber auch die Perspektive der leiblichen Kinder von Pflegeeltern soll jetzt in den Forschungsprojekten näher untersucht werden, was mir sehr wichtig erscheint.

Inwiefern ist diese Perspektive wichtig?

Die Stimme der leiblichen Kinder wurde bis anhin zu wenig gehört. Und dies, obwohl sie zentral ist bei der Aufnahme eines Pflegekindes. Wir müssen die Interessen der leiblichen Kinder stärker mitdenken, wenn wir gute Pflegeverhältnisse haben wollen. Auch hier sind die Forschenden dran.

Können die Erkenntnisse aus dem Projekt «Pflegekinder – next generation» auch für DAF hilfreich sein?

Natürlich, sehr, weil wir dann empirische Erkenntnisse über die Begleitprozesse haben, und damit eine Grundlage für eine sachliche Fachdebatte liefern können.

Karin Meierhofer, reicht die Fachdebatte oder sollte man noch weitergehen?

Mir ist es Anliegen, das man über das Forschungsprojekt «Pflegekinder – next generation» die Erfolgsfaktoren sowie die Schwachstellen findet in der Betreuung, Begleitung und bei den föderalen Strukturen. Gelingt es uns dies, müssen wir auch über konkrete Änderungen sprechen. Sei es durch Praxisänderungen oder auch durch Anpassung der rechtlichen Grundlagen.

Sprechen Sie von einer Revision der Pflegekinderverordnung, PAVO?

Auch das könnte eine Option sein, wenn sich Entsprechendes aus der Forschung ergibt.

Eine mögliche Änderung von rechtlichen Grundlagen wie der PAVO bräuchte Zeit. Welche Wirkung hat das Forschungsprojekt «Pflegekinder – next generation» bereits heute?

Schauen Sie auf die Tagung, die wir vor wenigen Monaten in Bern durchführen konnten. Das Interesse am Themenfeld Pflegekinder war riesig. Wir können uns über das Projekt vernetzen und austauschen. Das ist grossartig und bewirkt schon heute viel Gutes.

Gabriele E. Rauser, wie wichtig ist diese Vernetzung übers Projekt «Pflegekinder – next generation» für Sie?

Endlich sind die Pflegekinder im Fokus. Wir sind mit den interkantonalen Gremien wie SODK und KOKES, aber auch mit der Praxis in einen engen Dialog getreten. Wir befinden uns bereits in einem Reflexionsprozess, der weiterwirken wird. In diesem Sinn hat sich das Projekt «Pflegekinder – next generation» bereits heute gelohnt.