Erfolgreiche nationale Fachtagung

Aus der Deutsch- und Westschweiz sind über 120 Interessierte nach Bern gereist, um an der Tagung «Pflegekinder – next generation» teilzunehmen. Dem breitgefächerten Publikum aus Forschung und Praxis wurden erste vorläufige Ergebnisse der drei Studien «Partizipation von Pflegekindern», «Gute Begleitung von Pflegeverhältnissen» und «Vergleich von kantonalen Strukturen» präsentiert. Die Forschenden ihrerseits erhielten von den Anwesenden wertvolle Inputs zurückgespiegelt.

Dass trotz der schwierigen Pandemie-Situation ein solch hochkarätiges Publikum zusammengekommen war, freute Jacqueline Burckhardt, die Präsidentin der Palatin-Stiftung, bei ihrer Begrüssung sichtlich. Die Projektleiterin Judith Bühler zeigte sich ebenfalls dankbar, dass die Tagung in diesem Rahmen stattfinden konnte, zumal die Tagung im Zeichen des Dialogs steht. Wie es dazu kam, hat sie eingangs berichtet.

Beim Podiumsgespräch zu Beginn standen die Mitglieder der Projektgruppe Forschung & Entwicklung Rede und Antwort. Dabei sprach der emeritierte Professor Klaus Wolf von einem «Vorzeigeprojekt», denn man rede «nicht über Kinder, sondern mit Kindern», ergänzte Karin Meierhofer von PACH Pflege- und Adoptivkinder Schweiz. Und Joanna Bärtschi von der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) meinte stellvertretend, dass man mit Vorfreude die Ergebnisse erwarte. Alle zeigten sich überzeugt, dass diese für die Praxis nutzbar gemacht werden können.

Spannende Zwischenergebnisse

Tatsächlich sind die Studien bereits weit fortgeschritten. So vermochte Professorin Béatrice Lambert von der Hochschule für Soziale Arbeit Fribourg (HETS FR) in ihrer Vergleichsstudie bereits deutliche Unterschiede in den kantonalen Strukturen aufzuzeigen. Eine hohe Heterogenität der kantonalen Systeme gäbe es beispielsweise in Bezug auf die Verteilung und beim Grad der Regulierung von Zuständigkeiten und Funktionen. Konkret zeigten sich die Unterscheide etwa bei der Verfügbarkeit von Online-Informationen oder beim Zugang zu Schlüsselpersonen. Hier gebe es keine einheitlichen Standards, so die Freiburger Wissenschaftlerin.

Verschiedene Interviews mit Pflegekindern hat das Forscher:innenteam zum Thema der «Partizipation» geführt. Diese zeigten auf, dass es in Sachen Partizipation von Pflegekindern durchaus «Luft nach oben» gibt. Pflegekinder würden oft in eine passive Rolle gedrängt. «Wenn wir Partizipation verbessern wollen, geht es darum, eine Individualisierung der Partizipationspraxis zu erreichen», so Professor Stefan Köngeter von der Ostschweizer Fachhochschule (OST).

Dialog in Ateliers

In den anschliessenden Ateliers diskutieren die Forschenden mit den Praxisfachleuten ihre Zwischenergebnisse. Professorin Gaëlle Aeby und Mathilde Etienne von der  Haute école de travail social Genève (HETS GE), welche die Studie «Gute Begleitung von Pflegeverhältnissen» durchführen, diskutierten einen Fall im Perspektivenwechsel. Hierbei bildete sich in diesem Atelier ein gemeinsames Verständnis hervor, wonach der multiperspektivische Ansatz bei der «guten Begleitung» zwingend wird.

Für die Forschenden aller Ateliers war das Feedback aus der Praxis und von den Careleaver:innen, den ehemaligen Pflegekindern, äusserst wertvoll. Der Dialog dazu soll nun auch in das Gesamtprojekt einfliessen.

«Pflegekinder – next generation» kommt zur richtigen Zeit

Die historische wie rechtliche Klammer zur Tagung bildete nebst dem Input von Professor Alexander Grob der Vortrag von David Rüetschi vom Bundesamt für Justiz. Er ging in seinem Referat der Frage nach, inwiefern die Pflegekinderverordnung PAVO revidiert werden muss. Rüetschi zeigte auf, wie bereits der Expert:innenbericht aus dem Jahr 2006 die Notwendigkeit von Anpassungen im Pflegekinderwesen postuliert, wie die Totalrevision der PAVO angedacht und in der Vorlage aber inhaltlich überladen war und darum der grosse Wurf bis heute ausgeblieben ist.

«Ja, die PAVO ist revisionbedürftig», bilanzierte David Rüetschi zum Schluss, «das heisse Eisen ist immer noch warm und niemand möchte sich die Finger verbrennen». Und an die Adresse der Teilnehmenden und den Titel der Tagung gerichtet meinte er schmunzelnd: «Es braucht diese next generation, um unbefangen an die Sache heranzugehen».

Die Referatsfolien finden Sie hier: Foliensatz nationale Fachtagung 2021